Bald ist es soweit und in Leipzig wird diskutiert. Anja Krieger wird am Sonntag, den 26. September (12.30 Uhr bis 14 Uhr) die CPOV-Podiumsdiskussion moderieren, die sich mit der Frage zentraler kritischer Standpunkte in Bezug auf die Online-Plattform Wikipedia auseinandersetzt. Um Einblicke in die gegenwärtigen kritischen Diskussionen zur Wikipedia zu bekommen und weiterzugeben, fasst die freie Journalistin zentrale Texte bzw. Positionen der eher zerstreuten öffentlichen wie wissenschaftlichen Diskussion über Wikipedia auf ihrem Blog zusammen. Den Anfang hat der Text “On the Differences between Open Source and Open Culture” von Felix Stalder gemacht. Jede/-r ist eingeladen mit zu lesen und zu kommentieren sowie Bezüge zu weiteren Diskussionsthemen herzustellen. Ich habe mich auch schon eingebracht und auf die Frage des “Dahinter” der Wissensgenerierung, also auf die Frage nach den epistemologischen Aspekten hingewiesen:
Ja, eine Perspektive auf die Wikipedia, die ich gerne beleuchten möchte, ist, inwiefern Wikipedia unterschiedliche oder gemeinsame politische Wissenskulturen in den unterschiedlichen Sprachversionen hervorbringt und spiegelt. Jüngere Diskussionen um den Zusammenhang von Medienwandel und der Rekonfiguration des Politischen nehmen ihren Ausgangspunkt in der Feststellung, dass technologische Innovationen wie das Social Web mit neuen Optionen für Bürger und Medien einhergehen. So würde nun Wissensproduktion auch in den Händen von Medien und Bürgern liegen. Gerade im Internet sind öffentliche, kollaborative Formen der Koproduktion von Wissen entstanden, in denen durch die Einbeziehung von Laien neue Wissenskulturen entstehen. Wikipedia bildet also ein sichtbares Beispiel, an dem die Verflechtung von Medienwandel und dem Wandel von Wissenskulturen abzulesen ist: Auf der mehrsprachigen Plattform erzeugen verschiedenste Akteure gemeinsam Wissen, wobei Wikipedia von den Akteuren selbst (auch) als Raum der Kämpfe um Deutungshoheit und Definitionsmacht verstanden wird. Wenn dann weiter davon ausgegangen werden kann, dass Wissen sozial konstruiert und innerhalb von Gesellschaften begründet ist, dann spielt das Politische immer schon im Prozess der Wissens(re-)produktion eine Rolle – gerade eben im öffentlichen Kampf um Deutungshoheit über Wissen, welches die Grundlage für kollektive Entscheidungen in spezifischen politischen Systemen bildet. Epistemologisch heißt hier sozusagen dann auf die Grundlage, auf welche dieses Wissen fußt, zurückzugehen und zu erforschen, mit welchen Geltungsansprüchen und Normen Wissen in konkrekten Praktiken der Wissenserzeugung verbunden wird. Warum setzen sich z.B. bestimmte Wissensclaims stärker durch als andere und zeigen darin eine gewisse Robustheit? Mit der Wahl dieser Forschungsperspektive knüpfe ich an das Konzept der “civic epistemologies” von Sheila Jasanoff an, die es wie folgt kurz und knapp auf den Punkt gebracht hat:
“I suggest that modern technoscientific cultures have developed tacit knowledge-ways through which they assess the rationality and robustness of claims that seek to order their lives; demonstrations or arguments that fail to meet these tests may be dismissed as illegitimate or irrational. These collective knowledge-ways constitute a culture’s civic epistemology; they are distinctive, systematic, often institutionalized and articulated through practices rather than in formal rules.””(Jasanoff (2005): Designs on Nature. Science and Democracy in Europe and the United States. Princeton/Oxford: Princeton University Press, S. 255)
Das bedeutet nicht zu diskutieren, was die bessere oder schlechtere Art von Wissensgenerierung ist, sondern dahinter zu schauen, welche Annahmen und Geltungsansprüche mit Wissensgenerierung verbunden werden — wie es z.B. in überzeichneter Weise auch von Journalisten wie Colbert bereits vorgemacht wurde (vgl. http://www.colbertnation.com/the-colbert-report-videos/72347/july-31-2006/the-word—wikiality). Die Diskussion Kulturkritik (Keen) versus „architectures of participation“ (für eine unterhaltsame Ausprägung dieser Diskussion vgl. http://fora.tv/2008/02/28/Jimmy_Wales_and_Andrew_Keen_Debate_Web_2_0#fullprogram) zeigt m.E. verschiedene Positionen, die aus solchen Dokumentationen genauso in ihrer epistemologischen Tiefe genauso herausgearbeitet werden können wie in der Analyse einer Wikipedia-Diskussionsseite … oder ex negativo in der Untersuchung der gelöschten Einträge. (Quelle: http://anjakrieger.com/2010/09/13/lekture-zur-wikipedia-podiumsdiskussion-1/#comments)
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